ALLE BLINDHEIT DER WELT
Kämpfe, Pol Art, kämpfe!
– Auf der Biennale
Ist die Präsentation politisch engagierter Kunst auf einer privilegierten Bühne wie der Biennale von Venedig nicht Heuchelei? Wer entscheidet überhaupt, was dort zu sehen ist? Wessen Werte setzen sich durch? Priya Basil inspizierte die 56. Biennale. Was die einen als „Ästhetisierung des Elends“ oder „Versammlung freudloser Kunstwerke“ sahen, gilt ihr als legitimes Anliegen einer neuen politischen Kunst: All the World’s Futures war das Motto der Schau, und die „ganze Blindheit der Welt“ wird nach Basil durch diese neue Pol Art sichtbar. Pol Art hat einen dokumentarischen Aspekt, mischt Formen, kombiniert Bilder mit Worten, ob in Video, Malerei, Photographie, Skulptur, Text. Pol Art ist dicht. Ihr Appell heißt: Bleib! Schau, schau noch einmal. „Pol Art ist nichts für Schwächlinge. Nichts für die, die glauben, was Picasso einmal gesagt hat: 'Kunst ist dafür da, den Staub des Alltags von unseren Seelen zu waschen.’' (Mit Guernica hat Picasso, wie Künstler es dürfen, sich selbst widersprochen.) Die Pol Art von All the World’s Futures wäscht nicht den Staub des Alltags von unseren Seelen, im Gegenteil: Sie bombardiert uns mit dem Staub des Lebens. Sie zeigt uns die vielen Schichten dieses Staubs, unter dem so viele Seelen ersticken. Sie macht, daß wir uns schmutzig und mitschuldig fühlen, aber auch verwundert und dankbar sind – denn ohne Staub würden wir den Sonnenstrahl nicht sehen; Sonnenuntergänge wären weniger schön, der Himmel erstrahlte in einem anderen Blau. Partikel dieses Staubs dringen tief in uns ein. Sie liegen in Herz und Verstand und kribbeln, prickeln, beunruhigen. Sie sind eine Mahnung: Es bedarf keiner Fackel, um die Wahrheit zu erhellen, es muß nicht erst brennen, damit wir handeln.“ Alle Blindheit der Welt.