Taiye Selasi, Priya Basil, Chika Unigwe, Nii Parkes: Vier Autoren mit afrikanischen Wurzeln belebten die Tübinger Poetik-Dozentur
Von: Kathleen Hildebrand
Zuerst veröffentlicht: 2. Dezember 2014,
Süddeutsche Zeitung
Eine noch komplexere Perspektive brachte Priya Basil in die Dozentur ein. In eine priviligierte indischstämmige Familie hineingeboren, wuchs sie in Nairobi auf. Nach dem Bankrott ihres Vaters fand sie sich plötzlich am anderen Ende der sozialen Ordnung wieder und erkannte ihre Privilegien als schlichtes, unverdientes Glück. Doch Priya Basil fiel weich, sie studierte in England und lebt heute als Schriftstellerin in Berlin. 2012 erschien ihr Roman "Die Logik des Herzens" über eine crosskulturelle Romeo-und-Julia-Liebe.
In zwei fein gewobenen Vorträgen reflektierte sie ihre eigene Entwicklung von der braven, angepassten Privatschülerin zur politischen Autorin: 2010 hat sie die Online-Plattform "Authors for Peace" mitgegründet, über die Schriftsteller Lesungen zugunsten politisch Verfolgter organisieren können - und 2013 gehörte Priya Basil zu den Mitinitiatoren des Schriftsteller-Aufrufs gegen digitale Überwachung. Für Schriftsteller, sagte sie, sei das Gefühl, ihre Geschichten frei erzählen zu können, unabdingbar. "Learning to offend" war der Titel ihres zweiten Vortrags: "andere verärgern lernen". Sie sprach über die Frage, ob Schuld erblich sei - so wie das Nutznießertum ihrer eigenen Familie an der Apartheid in Kenia?
Erst durch das Schreiben, mit der unbarmherzigen Ehrlichkeit, die es von jedem Autor erfordere, sei sie zu der Selbsterkenntnis gekommen, die sie schließlich zu einer poltisch engagierten Bürgerin werden ließ. Das Vertrauen, das Literatur voraussetze, weil es den Glauben an die Fiktion erst ermögliche, zeige, dass es viele verschiedene Formen des Verstehens gebe, die ganz unabhängig von Fakten seien. Der Literatur gegenüber bleibe sie deshalb immer loyal: "Literature believes in us", sagte sie, Literatur glaubt an uns."