Eltahawy und Penny, beide auf ihre Art ein feministischer Star, bliesen temperamentvoll zur Attacke und lachten viel. Das Publikum im krachvollen großen Saal des Festspiel-Hauses reagierte entzückt. Als Eltahawy rief, die Sittenwächter aller Religionen sollten ihre Vagina nicht behelligen („Stay off my vagina!“) wurde gejohlt. Als Penny die Gefühlsarbeit für „fucked up guys“ eine Zumutung nannte oder konstatierte, dass die viel beschworene „work life balance“ für Frauen eine „work work balance“ sei, wurde begeistert gepfiffen.
Beide liefern komplexe Analysen, beide haben das Talent, Kompliziertes in eingängige Formeln zu bringen. Es machte Spaß, ihnen zu applaudieren. Als Eltahawy das Publikum animierte, ihre Fragen nach gleichem Lohn, weiblicher Macht usw. in Deutschland im Chor mit schallenden „No“-Rufen zu beantworten, wurde die kollektive Einigkeit aber doch ein bisschen unheimlich.
Decker saß sie wie zögernder Gedankenstrich daneben. Sie sprach anders, suchte nach Worten, machte Pausen. Nachdem Eltahawy wie Penny betonte, sie habe keine Lust mehr, sich um Männer zu kümmern und auch dafür jede Menge Applaus bekam, stellte die Filmemacherin sich gegen die Stimmung im Saal. Sie erzählte, dass sie sich mit einem Mann, der sie sexuell belästigt hatte, auseinandersetzte, ja ihm verzieh. Wie in ihren Filmen bestand sie auf Ambivalenz und schwierige Gefühle. Die Welt sei nicht nur schwarz oder weiß, sagte sie. Außerdem brach sie in Tränen aus – überwältigt von der Situation, den Gefühlen, der Geschichte, die sie zuvor nie öffentlich erzählt habe.
Die ohnehin wundervolle Schriftstellerin Priya Basil, die den Abend moderierte, fing dem Moment umsichtig auf. Eltahawy wie Penny blieben bei ihren Positionen, zeigten aber Mitgefühl. Das war natürlich professionell und eine feministische Selbstverständlichkeit, aber gleichzeitig erkennbar herzlich. Während im Publikum hier und da eine gewisse Ablehnung zu spüren war (immerhin plädierte die Weinende für Empathie für einen Täter) schien das Podium enger zusammenzurücken und diskutierte kurz danach munter und konzentriert weiter. Und so war dieser Abend nicht nur sehr unterhaltsam und machte neugierig auf die Arbeiten aller Beteiligten, sondern zeigte die Widersprüche und Chancen der aktuellen feministischen Debatten:
Zwischen Frauen und ihren Ansichten mögen Welten liegen. Aber das heißt nicht, dass sie aufhören miteinander zu reden.
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November 2018
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