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Europä̈ische Schriftstellerkonferenz: Die heilende Wirkung guter Geschichten

13/5/2016

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Die heilende Wirkung guter Geschichten

Was können Schriftsteller für die Verständigung zwischen Flüchtlingen und Bürgern leisten? Kann Sprache vermitteln und Literatur Brücken bauen? Über diese und andere Fragen zum Thema Europa haben Schriftsteller aus 30 Nationen in der Berliner Akademie der Künste mit Frank-Walter Steinmeier auf der Konferenz "GrenzenNiederSchreiben" diskutiert.

Von Cornelius Wüllenkemper, 11.5.2016

"Die Kluft zwischen Traum und Wirklichkeit in Europa, sie ist heute vielleicht tiefer denn je. Und fast möchte man sagen: So unverhofft, wie 1989 der Eiserne Vorhang niedergerissen wurde, so kalt hat uns die Rückkehr der Schlagbäume im Europa dieser Tage erwischt."
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zog gleich zu Beginn der Konferenz eine nüchterne Bilanz. Kann Literatur die "Streiträume" eröffnen, die Steinmeier für die europäische Öffentlichkeit einfordert? Die polnische Autorin Joanna Bator geht angesichts der anti-liberalen Flüchtlingspolitik in ihrer Heimat hart mit sich ins Gericht:
"Wir, die linksorientierten Intellektuellen, Schriftsteller und Künstler Polens, wir haben schlicht versagt. Wir sind Übersetzer, die das, was in der Gegenwart passiert, in Sprache übersetzen sollten. Wir haben die Ängste der Menschen in Polen nicht verstanden und nicht respektiert. Aber die Leute hatten ein Recht darauf, Angst zu haben. Denn sie wussten nichts über die Flüchtlinge. Sie haben sechs Jahrzehnte lang im Kommunismus gelebt. Sie hatten die Erfahrung einfach nicht, wie es ist, mit anderen Menschen zusammenzuleben."

Die oppositionelle syrische Künstlerin, Kinderbuchautorin Kefah Ali Deeb, träumt angesichts der engen kulturellen Verflechtungen zwischen ihrer Heimat und Zentraleuropa davon, jeden einzelnen Europäer zu fragen, was genau ihm an den syrischen Flüchtlingen eigentlich Angst macht. Angst – das war das Leitmotiv der Konferenz über das Niederschreiben von Grenzen.

Ein mit Bedacht gewählter, doppeldeutiger Titel: Grenzen benennen und überschreiben. Die finnische Autorin Rosa Liksom berichtete von ihrem Buch-Projekt, in dem sie finnischen Neonazis die Möglichkeit gab, ihre Meinung zu äußern und sich damit zugleich selbst zu entlarven. Die Kroatin Ivana Sajko sprach über ihren Roman, in dem sie verschiedene Perspektiven auf den Jugoslawienkrieg zu einer Geschichte kombinierte. Und der flämische Schriftsteller Jonas Terrin betonte die heilende Wirkung von guten Geschichten.

"Wenn der Leser schon vorher weiß, was der Autor im erzählen wird, ist das das Todesurteil für jedes Buch. Ich schreibe Bücher über Menschen, die ich nicht verstehe. Ich lasse mich von meiner Geschichte, von meinen Figuren leiten. Leser sind irrational: Man kann ihnen nicht einfach Argumente liefern, und schon schließen sie sich unseren Vorstellungen an. Wie erreichen wir die Leute, die nicht lesen? Indem wir einfache, klare Geschichten über Menschen schreiben, egal ob sie links oder rechts sind. Die Stärke eines Schriftstellers liegt in seinen Texten, nicht in seinen politischen Überzeugungen."

Angst – das Leitmotiv der KonferenzDie britische Autorin Priya Basil betonte, sie wolle der "Angstsuppe" zwischen Finanzkrise, Terror und Flüchtlingswelle ein positives Narrativ über die grundliberale Idee des geeinten Europas entgegensetzen. Geschichten entfalten ihre Stärke dann, wenn sie dem Alleinvertretungsanspruch der Populisten attraktive Alternativen entgegensetzen. Oder wie die Kroatin Ivana Sajko es ausdrückte:
"Angesichts einer Gesellschaft, die immer mehr in Richtung Angst, Hass und Hysterie driftet, müssen wir Schriftsteller eine Alternative aufzeigen: Okay, vielleicht haben wir keine politische Macht. Aber wir haben einen Willen, eine Vision einer besseren Gesellschaft, wir haben ein Werkzeug, das die Welt schöner macht. Und außerdem haben wir einfach Stil – und deswegen werden wir gewinnen. (Lacher)"

Das kann als optimistische Bilanz dieser in weiten Strecken sehr politisch geprägten Europäischen Schriftstellerkonferenz gelten. Wenn es den Autoren gelingt, gute Geschichten über das zu schreiben, was den Menschen universell betrifft, ist Literatur eine starke Alternative zum abgrenzenden Narrativ der Angst._

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Europäische Schriftstellerkonferenz: Bedingungslose Gastfreundschaft, das wäre doch was

13/5/2016

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Bedingungslose Gastfreundschaft,
das wäre doch was


von Joachim Güntner 13.5.2016

Universale Werte wahren, Grenzen überwinden und dem Angstdiskurs über Migranten die ruhige Stimme der Literatur entgegensetzen –  darum ging es an zwei Tagen in Berlin.Man sollte von Schriftstellern keine unmittelbar politischen Problemlösungen erwarten. Selbst dann nicht, wenn sie sich zu einer «Europäischen Schriftstellerkonferenz» versammeln, zu deren Initiatoren der deutsche Aussenminister zählt. Das war, trotz Verabschiedung eines Manifestes, auch gar nicht der Anspruch, als sich jetzt in Berlin dreissig Autorinnen und Autoren aus Europa und Ländern des südlichen Mittelmeers mit deutschen Kolleginnen und Kollegen zusammenfanden. «Jenseits von Schlagworten tagesaktueller Debatten, jenseits politischen Kalküls und wirtschaftlicher Notwendigkeiten» wollte man sich über europäische Kultur, ihre Werte und Identitäten austauschen. Dies aber vor einem eminent politischen Hintergrund: der Massenmigration.

Der Zugriff aufs Thema deckt sich mit der Verschiebung ins Kulturelle, die auch die öffentliche Diskussion über Flüchtlinge erfahren hat. Längst geht es auch dort um Identitätsfragen, wie sie an der Konferenz gestellt wurden, etwa: «Wie viel Zuzug verträgt Kultur?» Oder: «Was können europäische Werte noch sein?» Während aber das öffentliche Meinungsklima zunehmend von Überfremdungsängsten geprägt wird, die den Hang zur Abschottung fördern, wollte die Berliner Konferenz die Denkräume – und Herzen – offen halten. Die Zusammenkunft stand unter dem Titel «GrenzenNiederSchreiben», was in bewusst eigenwilliger Orthographie einen Doppelsinn transportierte: Bevor man Grenzen schreibend niederreisst, muss man sie erst einmal notieren.

Einig waren sich die Konferenzteilnehmer, wie gut die Literatur dazu tauge, Grenzen in den Köpfen (denn um die ging es, um Vorurteil und Ressentiment) zu überwinden. Literatur bringe die kulturelle Vielfalt persönlicher Stimmen zum Tragen, und sie ermögliche den teilnahmsvollen Blick auf das Fremde. Denn anders als die auf Aktualität und Erregung getrimmten Medien gehe literarisches Schreiben «die lange Strasse», wie die in Kenya aufgewachsene englische Autorin Priya Basil das Entfalten von Lebensgeschichten und Umständen in Erzählungen nannte. Dieser Modus, pflichtete die Moderatorin bei, bringe Literatur in Gegensatz zum Erzeugen von Hysterie, mit der gegenwärtig die «Angstsuppe» hochgekocht werde.

Einzig der russische Schriftsteller Sergei Lebedew, belehrt durch Erfahrung in seiner Heimat, goss etwas Essig in den Wein. «Wir sprechen hier alle nur gut von der Literatur», merkte er an, es lasse sich aber auch ein schlechter Gebrauch von ihr machen. In Russland würden etwa Tolstoi und Dostojewski herangezogen, um zu begründen, warum man sich vom Westen fernhalten müsse. Beide seien unstrittig literarische Riesen, auf deren Schultern wir ständen. Ihr Antiwestlertum aber mahne, auch gegen Riesen kritisch zu sein.


Lesen Sie bitte hier weiter.
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Manifest der Europäischen Schriftstellerkonferenz 2016

12/5/2016

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Manifest der Europäischen Schriftstellerkonferenz 2016


Europa ist ein Lebensstil. Die Geschichte Europas ist geprägt von Menschen, die das Abenteuer suchten und Wagnisse eingingen. Hier begegnen sich das Unmögliche und die Freiheit. Auf den Handflächen aber funkeln Sterne.
Zmicier Vishniou. Aus dem Belarussischen von Martina Jakobson

Denke ich an Europa, werde ich an die wohlbekannte Tatsache erinnert, dass, vom Weltraum aus gesehen, auf unserem Kontinent keine sichtbaren Staatsgrenzen erkennbar sind; keine gewaltigen Linien, die sich durch die Landschaft ziehen, über Hochebenen, Hügel und Seen. Seine vielfältigen Landstriche – abgetrennt durch natürliche Grenzen wie Küsten, Flüsse, Felsspalten, Steppen und Berge, Landzungen und Inseln, den Grund des Meeres und seine Oberfläche – all das sind einfach Orte, an denen sich die Menschen über Jahrhunderte hindurch versammelt haben, um für einen kurzen Moment den immer wieder neuen Gesang der Menschheit erklingen zu lassen.
Sjón. Aus dem Isländischen von Betty Wahl

Europa ist das Dorf nebenan. Die Tür des Nachbarn. Die nächste Insel.
Europa geht bergab, und am Ende ist immer das Meer.
Europa ist ein Café, in dem man alle Sprachen spricht und jeder sie versteht.
Jordi Puntí. Aus dem Katalanischen von Michael Ebmeyer

Als Bürger eines zweisprachigen Landes werde ich häufig gefragt, was ich meinem Gefühl nach bin: ein flämischer Autor oder ein belgischer? Meist antworte ich, dass ich mich als Schriftsteller in erster Linie als Europäer empfinde. Ich bin mit beiden Füßen in einer starken europäischen literarischen Tradition verwurzelt. Als Bürger bin ich Flame und Belgier und Europäer. Ein Individuum kann viele Personen beherbergen.
Ich schreibe dies am 22. März 2016. Anschläge in Zaventem und Brüssel haben unser Land bis in seine Grundfesten erschüttert. Wie beschützen wir unsere tolerante Gesellschaft gegen Intoleranz? In meinen Augen ist das die größte Herausforderung, vor der Europa steht.
Peter Terrin. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen

Meine Heimat ist weder Indien noch Frankreich, sondern die französische Sprache. Ich bin befreit, ich bin frei, als Frau und als Autorin, weil ich schreibe, weil ich auf Französisch schreibe.
Shumona Sinha. Aus dem Französischen von Lena Müller

Europa ist ein Archipel voller Wortbrücken.
Doris Kareva. Aus dem Englischen von Antje Rávic Strubel

Die Europäische Union war ein Versprechen zur Solidarität, eine Koalition verschiedener Kulturen, die imstande sind, eine gemeinsame Sprache durch transparente demokratische Prozeduren zu finden, und sich dabei um das Wohl der eigenen Völker zu kümmern, um ihre soziale und natürliche Umwelt.
Europa ist heute infolge von Bürokratie, Ungleichheit, Vorurteilen und Angst sowie durch einen ganz konkreten Zaun geteilt, und seine einzige Chance besteht darin, den Kokon der lokalen Interessen und der Erpressung durch den Markt zu verlassen und zu dem nicht gehaltenen Versprechen zurückzukehren.
Ivana Sajko. Aus dem Kroatischen von Alida Bremer

Beginnt Europa (am Mittelmeer), oder endet es (vor dem Mittelmeer)?
Mehmet Yashin. Aus dem Türkischen von Tevfik Turan

Wo liegt die Mitte Europas? Wenn man Europa als eine vitruvianische Figur mit kanonisierten Proportionen wie die von Da Vinci betrachtet, wenn man die Karte von Europa als einen Menschen sieht, der dich anschaut, liegt die Mitte in der sicheren und gut geschützten Schengen-Zone. Aber das Herz schlägt wie bei jedem Menschen weiter links. Im Osten, irgendwo da, wo die Ukraine liegt.
Serhij Zhadan. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

Als Europäerin bin ich einmal Einwohnerin und siebenundzwanzigmal Ausländerin.
Antje Rávic Strubel

Das heutige Russland grenzt sich wieder von Westeuropa ab. Aber so, wie es mit der UdSSR geschehen ist, lässt sich diese neu errichtete Mauer aus Ignoranz und Hass niederreißen – mit einem Wort der Wahrheit.
Sergej Lebedew. Aus dem Russischen von Franziska Zwerg

Europa ist für viele das Land der Träume, denn es steht für Menschlichkeit und Freiheit.
Jene Freiheit, für die viele Syrer gestorben sind – in Syrien und auch in Europa.
Was mich betrifft, so habe ich durch meine Existenz als Kriegsflüchtling in Europa die Erfahrung gemacht, dass sich die Humanität, die die Menschen hier an den Tag legen, von der Politik der Regierungen abhebt.
Für manch einen mag Europa großartig sein.
Mich dagegen begeistern nach wie vor Zauber und Geheimnis des Orients.
Kefah Ali Deeb. Aus dem Arabischen von Leila Chammaa

Ein Mensch kommt nach Europa.
Ein Mensch unterwegs. Die älteste Geschichte der Welt. Und die aktuellste. Eine Geschichte für alle Zeiten. Zahllose Fäden dieser Erzählung, über Jahrtausende miteinander verwoben und heute enger denn je verknüpft, haben Europa geschaffen.
Ein Mensch unterwegs, einer von Millionen. Einer von vielen, die ein Zuhause suchen und es nicht finden werden, weil Europa ihnen inzwischen den Einlass verwehrt. Ihr Zuhause hat anderswo zu sein, möglichst fern von Europa. So fern, wie Hilfe und Hindernisse sie halten können. Ihr Europa liegt außerhalb des Kontinents, in Zeltstädten und Internierungslagern oder tief unter den Wellen. Das ist ihr Europa. Das ist ihre Ode an die Freude.
Wird Beethovens Neunte zur Hymne der Missgunst werden? Oder wird Europa die Partitur mit prächtigen Beats der Weltmusik neu beleben?
Priya Basil. Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender

Ich bin mit der europäischen Literatur groß geworden, mit Robert Musil, Marcel Proust und anderen, und mein eigenes Schreiben hat sich in ihrem Licht entwickelt. In gewissem Sinn werden wir Israelis, ob wir wollen oder nicht, sei es in unserer Literatur oder in unserem Leben allgemein, immer mit einem Bein in Europa und mit dem anderen im Nahen Osten sein. Und manchmal wissen wir selbst nicht, wo genau wir uns gerade befinden.
Nir Baram. Aus dem Hebräischen von Markus Lemke

Die europäische Dialektik:
Die Vernunft trennt, der Geist verbindet.
Lukas Bärfuss

Die Welt ist kompliziert, deshalb müssen wir der Versuchung widerstehen einfache Antworten zu liefern.
Jonas Lüscher

Europa erinnert mich an den Don Quijote der Renaissance. Seine hehren Ziele und Projekte befinden sich oft im Widerstreit mit der rauen Wirklichkeit und sogar mit den Naturgesetzen. Ein wunderbarer Protagonist für die Literatur und ein unerschöpflicher Stoff für einen Schriftsteller – für Europas Sancho Panza.
Eugenijus Ališanka. Aus dem Litauischen von Claudia Sinnig

Die europäische Literatur kann nur dann vielfältig, reich und stark sein, wenn sie nicht bloß aus den sogenannten großen Sprachen/Literaturen besteht, sondern aus den literarischen Stimmen jeder einzelnen Autorin und jedes einzelnen Autors in Europa, den Stimmen der Minderheiten, der Migranten, der anderen und überhaupt auch aus dem Anderssein.
Lidija Dimkovska. Aus dem Makedonischen von Alexander Sitzmann

Deine Worte / meine Bilder / Deine Worte / mein Land / meine Heimat / Flagge / Deine Worte / die einzig mögliche Gesellschaftsordnung
Jana Beňová. Aus: „Abhauen“. Aus dem Slowakischen von Andrea Koch-Reynolds. © Residenz Verlag GmbH, Salzburg – Wien

DAS SCHLIMMSTE IST GRAUSAMKEIT
Joanna Bator. Aus dem Polnischen von Lisa Palmes

EUROPA IST …
Jene Gegend, wo wir den tödlichen Hass aufeinander nach Kräften zu vermeiden suchen und uns höchstens wechselseitige Abneigung gestatten.
Jene Gegend, wo wir der tödlichen Furcht vor einander zu widerstehen suchen.
Jene Gegend, wo momentan schwer zu entscheiden ist, ob obige Sätze tödlichen Zynismus oder stillen Optimismus ausdrücken.
György Dragomán. Aus dem Ungarischen von Lacy Kornitzer

Auch Ehrlichkeit gehört zu den zentralen Werten Europas. Ehrlichkeit, die kalte Herzen, hohle Versprechen, schnöden Hass und zynische Gleichgültigkeit in unseren Seelen aufzeigt.
Tilman Spengler

Das Fehlen von Empathie ist das Gleiche, wie an der Peripherie stecken geblieben zu sein. Es ist das Gleiche, wie auf der falschen Seite des Stacheldrahtes zu stehen.
Dragana Mladenović. Aus dem Serbischen von Jelena Dabić

TRÄUME VON EUROPA
Dort ist eine andere Welt. Die Städte sind endlos und die Gebäude haben Hunderte von Stockwerken. Menschen fahren in schönen Autos und haben tolle Häuser. Alle arbeiten und führen ein gutes Leben, aber auch die Arbeitslosen leben gut. Wenn du kein Geld hast, gehst du zur Bank und stellst einen Antrag, und du bekommst es, ohne es zurückzahlen zu müssen. Die Mädchen sind lieb und sie weisen dich nicht zurück. Ihre Läden nennen sie „Supermarkt”, weil es dort super Lebensmittel gibt. Der Honig ist dort süßer als bei uns und sogar der Schnee in den Bergen schmeckt wie Fruchteis. Ihre Hunde beißen dich nicht und ihre Mücken stechen dich nicht, sondern lecken dich nur ab. Ihre Haustüren lassen sie Tag und Nacht offen, niemand klaut, weil alle alles haben. Dort legen nicht nur Hühner, sondern auch Hähne Eier. Es ist dort wie in einem schönen Traum, der nie zu Ende geht…
Jeton Neziraj. Aus: „Peer Gynt aus dem Kosovo“. Aus dem Albanischen von Zuzana Finger. Mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer Verlag, Theater & Medien, Frankfurt am Main

Es heißt, Europa sei eine Wertegemeinschaft. Aber Werte sollte man innerhalb der Gemeinschaft verteidigen und nicht an ihren Grenzen.
Nicol Ljubić

Gefragt wäre nun die internationale Solidarität der EU-Bürger. Aber gibt es die überhaupt? Wo steht heute das stolze europäische Bürgertum und verteidigt das, was es 300 Jahre lang, über viele Rückschläge hinweg, beharrlich aufgebaut hat?
Josef Haslinger

Wenn wir die Faschisten aus Europa abschieben, dann gibt es viel mehr Platz für Flüchtlinge.
Jazra Khaleed. Aus dem Griechischen von Ina Kutulas

1. Vor dem Ersten Weltkrieg war Deutschland der dominierende Staat in Europa. Nach dem Zweiten Weltkrieg schufen die dominierenden Staaten Europas die Europäische Union, um aus unserem Kontinent eine Heimat des Friedens und der Stabilität zu machen. Heute dominiert Deutschland Europa. Es werden Gespräche geführt und es ist viel Geld vorhanden… aber wo bleiben die Entscheidungen?
2. Wenn sich das Geld auf der Welt frei bewegen darf, sollte das gleiche Recht auch für Menschen und Tiere gelten.
Rosa Liksom. Aus dem Finnischen von Stefan Moster

Europa hat allein in den letzten 100 Jahren so viel Geschichte gesammelt. Und Ihr, die Fliehenden, die Ihr hinter den Grenzen wartet, auf den Meeren irrt, an Stacheldrähten aufgehalten werdet, erzählt diese Geschichte weiter. Auf Eure stumme Art. Ihr seid Geschichtenerzähler ohne Stimme. Doch wir hören Euch. Wir hören Euch.
Mely Kiyak

Mit Kunst und Kultur trotzen wir den Widrigkeiten und bauen Brücken zwischen den Völkern. Dies ist eine Verantwortung, die Künstler und Politiker in Europa und Umgebung teilen. Kunst kann nur dann zur Entfaltung gelangen, Wirkungskraft entwickeln und Menschen bewegen, wenn Ausdrucks- und Bewegungsfreiheit garantiert sind, finanzielle Förderung gegeben ist und dem Ressort der Kultur in den künftigen europäischen Programmen ein wichtiger Stellenwert zugesprochen wird.
Als teilnehmende Schriftstellerin dieser Konferenz betrachte ich es als meine Pflicht, mich für die Literatur und die Kunst im Allgemeinen einzusetzen. Indem ich – aus der Außen- wie auch Innenwelt schöpfend und fernab von aufgezwungenen Festlegungen auf Zeit, Ort, Kategorie und Schema – unbeirrt weiterschreibe. Unbeirrt meinen Stift gegen jede Art von Gewalt, Unterdrückung und Ignoranz erhebe.
Zu schreiben begann ich als Kind im Garten meiner Mutter. Mittlerweile schreibe ich an anderen Orten. An Orten, die ich liebe und die mich lieben. Orten, an denen ich neue Leser gefunden habe und neue Lebenserfahrungen mache.
Najet Adouani. Aus dem Arabischen von Leila Chammaa

O Ära von Verhängnis und Verderben; bei Walnuss, Pferd und Märchen, der Mensch ist so groß wie sein Kummer.
Yavuz Ekinci. Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe
Schon als Junge habe ich mich ebenso sehr als Europäer gefühlt wie als Italiener. Indem ich das schreibe, wird mir klar, dass das inopportun klingen könnte. Das ist es nicht für mich.
Ich erinnere mich noch an die Autoschlangen an der italienisch-französischen Grenze und nichts lässt mich wünschen, sie wiederzusehen. Deshalb schmerzt und erschreckt es mich, wenn ich von Schritten zurück reden höre, von Abschottung und Grenzschließungen.
Zu früher zurückzukehren wäre für mich, wie auf eine Hälfte meiner Zugehörigkeit zu verzichten.
Paolo Giordano. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner

Du standest in der Küche deiner Mutter und hattest einige Tassen abgewaschen, als du sagtest: Alles, was ich sagen werde, hat jemand anders schon gesagt. Gib mir den Topf.
Im Radio sprach Katarina Taikon, sie sagte: Ich habe die Menschenrechte nicht erfunden. Ich habe sie nur aus dem Romani übersetzt.
Lawen Mohtadi. Aus dem Schwedischen von Antje Rávic Strubel

Was ich mir so wünsche? Mehr Stammtisch für Europa. Um zusammen Bier zu trinken und zu reden.
Jaroslav Rudiš


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Europäische Schriftstellerkonferenz - In der Angstsuppe

12/5/2016

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In der Angstsuppe

In Berlin trafen sich dreißig Autoren aus dreißig Ländern zu einem Gespräch über europäische Werte, Vor- und Nachteile von Grenzen und die Kraft der Poesie.



Von Jörg Magenau, 11. Mai 2016

Europa ist "ein Lebensstil", "ein Café, in dem man alle Sprachen spricht", ein "Archipel voller Wortbrücken". "Europa geht bergab, und am Ende ist immer das Meer." So klingt es in dem Manifest der Schriftsteller, die sich am Montag und Dienstag in der Berliner Akademie der Künste zur 2. Europäischen Schriftstellerkonferenz versammelten. Dreißig Autoren aus dreißig Ländern kamen zusammen, um in den Zeiten der Flüchtlingskrise über europäische Werte und Kultur zu diskutieren und über Grenzen, Zugehörigkeiten und Sprache nachzudenken. Das Manifest war der Höhepunkt des ersten Tages. Jeder Teilnehmer steuerte ein paar Sätze für diese chorische Collage bei.

(...)

Von Angst war häufig die Rede. Angst, so scheint es, ist der Treibstoff der gegenwärtigen politischen Dynamik, und Angst tendiert nach rechts. Die aus einer indischen Familie stammende, in Kenia aufgewachsene und in Berlin lebende Britin Priya Basil sprach von einer "Angstsuppe": die Rhetorik der Angst - von Finanzkrise bis zu Terrorismus und Flüchtlingsströmen - habe zu einer Erosion des Selbstbewusstseins der Menschen geführt. Dass daran auch die Medien ihren Anteil haben, die mit möglichst sensationellen Meldungen Leser gewinnen oder Klicks generieren wollen, könnte der Literatur als Medium der Nachdenklichkeit und Ruhe neues Gewicht und politische Relevanz verleihen.

Lesen Sie bitte hier den ganzen Text.
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